Am ersten Tag nach seinem Amtsantritt hat Präsident Barack Obama ein an die Spitzen seiner Administration gerichtetes Memorandum mit dem Titel „Transparenz und offenes Regieren“ veröffentlicht, in dem er drei zentrale Zielsetzungen für seine Vorstellungen von Government 2.0 formulierte.
- Transparentes Regieren. Durch umfassende Information über die Aktivitäten der Regierung – so der dahinter stehende Gedanke – sollte deren Verantwortlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern so weit wie möglich ausgebaut werden.
- Weitreichende Partizipation der Bürger, um deren Ideen und Erfahrungen in die Regierungsarbeit einfließen lassen zu können und diese damit grundlegend zu verbessern.
- Intensive Kooperation zwischen staatlichen Stellen – auch über die verschiedenen Ebenen des Systems hinweg – untereinander sowie zwischen staatlichen Stellen und der Zivilgesellschaft im weitesten Sinne, Verbänden, NGOs, der Wirtschaft etc., um damit die Effektivität des Regierens zu erhöhen.
Diese außerordentlich ambitiösen Zielsetzungen wurden im Verlauf eines in dieser Form einmaligen Entscheidungsprozesses, an dem die Bürger über Web 2.0-Tools vom ersten Brainstorming, über die Diskussion und Bewertung verschiedener Ideen bis hin zur Ausarbeitung von konkreten Vorschlägen intensiv und direkt beteiligt waren (eine ausführliche Beschreibung dieses Prozesses finden Sie in meiner Präsentation “Government 2.0. Das Beispiel der Obama-Administration”, die Sie von Scribd herunterladen können) in eine Richtlinie gegossen, die am 08.12.2009 in endgültiger Form veröffentlicht wurde.
Das elf Seiten umfassende Dokument besteht aus zwei Teilen: Der eigentlichen Richtlinie (6 Seiten) sowie einem Anhang mit Erläuterungen zur Umsetzung für die Administration. Das Memorandum weist die Administration an, folgende vier Maßnahmen, oder besser Maßnahmenkataloge umzusetzen, um die o.g. drei zentralen Zielsetzungen umzusetzen und verbindet diese Anweisung mit rigiden zeitlichen Vorgaben.
- Regierungsinformationen online verfügbar machen.
- Die Qualität dieser Regierungsinformationen grundlegend zu verbessern.
- Eine Kultur des offenen Regierens im o.g. Sinne zu schaffen und zu institutionalisieren.
- Einen Rahmen – im weitesten Sinne – zu schaffen, der offenes Regieren ermöglicht, unterstützt und befördert.
Was zunächst sehr abstrakt aussieht, erweist sich bei einem näheren Blick in das Memorandum als außerordentlich konkret, weil jeweils zu jedem Punkt angegeben wird, was genau bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (und hier ist die Rede von 45, 60 bzw. bei Punkt 4 120 Tagen!!) vorliegen muss. Und der Umsetzungsprozess hat bereits jetzt, wenige Tage später, auf breiter Front begonnen. Sehen Sie sich dazu einmal diese Übersicht an.
Auch die Implementationsphase ist übrigens durch intensive Bürgerbeteiligung charakterisiert. So stand beispielsweise Aneesh Chopra, der Chief Technology Officer der Regierung, im Rahmen eines Live Chats für Fragen zur Verfügung. Auch hier kann ich die Lektüre einer komprimierten Zusammenfassung nur empfehlen.
Für mich ein gelungenes und überzeugendes Beispiel dafür, dass Web 2.0-gestützte Bürgerbeteiligung möglich ist und die inhaltlichen Ergebnisse von Entscheidungsprozessen verbessern kann. Da kann man Vivek Kundra, dem Chief Information Officer der Regierung, nur zustimmen, wenn er sagt:
"We've got to recognize that we can't treat the American people as subjects, but as a co-creator of ideas”
Da scheint die Politik endlich so weit zu sein, wie es die Ökonomie und einzelne Unternehmen – wunderbar beschrieben in dem Buch Wikinomics – schon längst sind. Es geht nicht einfach nur darum, Bürgerinnen und Bürger ein bißchen mitreden zu lassen, um Ihnen das Gefühl zu geben, eingebunden zu sein. Politik ist vielmehr - wie in dem Zitat von Vivek Kundra so schön zum Ausdruck kommt - auf sie angewiesen, weil sie angesichts der zunehmend komplexen Gesellschaften und Problemlagen des 21. Jahrhunderts ihre Ideen, ihren Sachverstand und ihr Engagement braucht, um ihre Steuerungsaufgaben noch sinnvoll wahrnehmen zu können.
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