Donnerstag, 19. Juli 2012

Petition "Stellt iGoogle nicht ein!"

Wer in den letzten Jahren an unseren Kursen zu professioneller Internetrecherche und webbasiertem Wissensmanagement teilgenommen hat (und das waren viele hundert Professoren, Dozenten, Lehrerinnen, Studierende, Journalisten etc.), der hat Googles personalisierte Startseite iGoogle kennen und (hoffentlich) schätzen gelernt. Wir haben die speziell auf Wissensarbeiter zugeschnittene Startseite "Webbüro" genannt, und die Tatsache, dass man nun alles zentral an einer Stelle beisammen hat, wurde in den Evaluationen zu den Seminaren durchgängig als besonders wertvoll erachtet.

Nun hat Google am 3. Juli 2012 bekannt gegeben, die personalisierte Startseite iGoogle zum November 2013 einstellen zu wollen. Das wäre in der Tat ein großer Verlust für uns und all die Absolventen unserer Kurse. Dass es nicht nur uns so geht, zeigen die Reaktionen im Web. So gibt es beispielsweise bei ipetitions.com eine Petition "Stellt iGoogle nicht ein!", die ich gestern mitgezeichnet habe. Wenn Sie auch mit iGoogle arbeiten, dann nehmen Sie sich zwei Minuten Zeit und unterschreiben Sie diese Petition...

Montag, 16. Juli 2012

TAB: Internet und Politik

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hat im TAB-Brief Nr. 39 (August 2011) einen ebenso komprimierten wie kompetenten Kurzüberblick über die Hoffnungen und Befürchtungen rund um Cyberdemokratie (bzw. digitale Demokratie bzw. E-Demokratie etc.) mit dem Titel "Die neuen Kleider der Demokratie - Internet und Politik" veröffentlicht.

Untersucht werden die Hoffnungen und Befürchtungen entlang von vier Dimensionen des Zusammenspiels von Computern und Politik/Demokratie: Information (Transparenz), Kommunikation, Konsultation (Partizipation) und Wahlen (Abstimmungen). Es zeigt sich, dass die jeweiligen Argumente seit rund 50 (!) Jahren die gleichen geblieben sind, die Debatte also keinen Zyklen unterworfen ist. Das Fazit des Autors Ulrich Riehm:
"Das Internet macht ein unvorstellbares Ausmaß an politisch relevanter Information sowie vielfältige Kommunikations- und Beteiligungsmöglichkeiten in demokratischen Prozessen verfügbar. Mehr Transparenz und Offenheit des politischen Systems, Nutzungsmöglichkeiten unabhängig vom sozialen Status sowie von Ort und Zeit sind weitere typische Hoffnungen, die seit Beginn der Debatte um die Cyberdemokratie artikuliert wurden. Die Debatte wurde aber auch von Befürchtungen geprägt, zu denen u.a. gehören: die Gefahr der Manipulation, Zensur und Überwachung, der sozialen Selektivität der Nutzung, der informatorischen Überforderung der Nutzer durch Ausschaltung vermittelnder, qualitätssichernder Instanzen und die Beförderung populistischer Politikansätze" (S. 13).

Sonntag, 15. Juli 2012

UN Declaration on Human Rights Education and Training, Art. 6

Im Dezember 2011 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die "United Nations Declaration on Human Rights Education and Training" verabschiedet. Für diejenigen, die wie wir alleine (siehe z.B. www.dadalos.org) oder zusammen mit anderen (siehe z.B. www.dare-network.eu) seit Jahren HRE (= Human Rights Education) betreiben, stellt die Erklärung ein zentrales Referenzdokument dar. Im Kontext dieses Blogs ist v.a. der Artikel 6 einschlägig:
"Human rights education and training should capitalize on and make use of new information and communication technologies, as well as the media, to promote all human rights and fundamental freedoms."
Die gesamte Erklärung finden Sie hier, mehr Informationen zu den Vereinten Nationen bietet deren Website sowie unser Online-Lehrbuch auf D@dalos...

Honneth über Erziehung und Demokratie

Durch den Beitrag "Autoritätshörigkeit und moralischer Konformismus" von Gabi Reinmann bin ich auf die Eröffnungsrede von Axel Honneth beim 23. DGfE-Kongress (12. März 2012) aufmerksam geworden. Die unter einer CC-Lizenz in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft erschienene Rede ist überschrieben mit: "Erziehung und demokratische Öffentlichkeit. Ein vernachlässigtes Kapitel der politischen Philosophie".

Ausgehend von Kant erinnert Honneth an den - etwas in Vergessenheit geratenen - unauflöslichen Zusammenhang von demokratischem Staat und Erziehung (zur Demokratie) bzw. von Regierungs- und Erziehungskunst. Beide
"...müssen uns durch geschickte Wahl der Mittel und Methoden, eben durch eine Art von 'Kunst', darin unterrichten können, wie das eine Mal ein Volk von Untertanen, das andere Mal ein seiner Natur noch unterworfenes Kind aus dem Zustand der Unmündigkeit in den der Freiheit zu versetzen sei."
Beide bedingen sich wechselseitig, weil nach wie vor "keine Demokraten vom Himmel fallen", wie der Mitbegründer von Politikwissenschaft und politischer Bildung (damals übrigens auch noch eng miteinander verbunden) im Nachkriegsdeutschland, Theodor Eschenburg, immer wieder betonte.

Demokratie ist eine äußerst voraussetzungsvolle Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform (so der Titel eines einflussreichen Buches von Gerhard Himmelmann) - ein Umstand, der von den politischen Bildnern in Deutschland angesichts drohender Budgetkürzungen zurecht hervorgehoben wird (vgl. neben vielen anderen den Sammelband "Demokratie braucht politische Bildung" sowie die gleichnamige Website).

Doch zurück zu Honneth: Er widmet den ersten Teil seiner Rede den Gründen "für die inzwischen eingetretene Entkoppelung von Pädagogik und politischer Philosophie":
"...sie liegen ... in einem fatalen, 'wahlverwandtschaftlich' zu nennenden Zusammenschluss von problematischen Auffassungen über die kulturellen Voraussetzungen der Demokratie und einem falsch verstandenen Neutralitätsgebot des Staates."
Im zweiten Teil vertieft er seine Ausführungen zum "Zusammenhang von Erziehung und politischer Freiheit, von Bildung und Demokratie". Beide Teile sind ausgesprochen lesenswert und anregend. Der (gezwungenermaßen) sehr kurz geratene dritte Teil wartet mit einer Überraschung auf: Honneth nennt zwei zentrale Herausforderungen für ein "erneuertes Programm der demokratischen Erziehung", nämlich Multikulturalismus und die (im hiesigen Zusammenhang von Web 2.0 und politischer Bildung zentrale) digitale Revolution:
"Für jeden aufmerksamen Zeitgenossen dürfte gegenwärtig außer Frage stehen, dass die digitale Revolution der Kommunikationsverhältnisse nicht nur die Formen der Anbahnung und Aufrechterhaltung privater Beziehungen, sondern auch die Wege der politischen Meinungsbildung nachhaltig verändern wird; mit dem Internet, das den Einzelnen in die Lage zugleich einer Enträumlichung und Beschleunigung seiner Interaktionen versetzt, entstehen heute mit wachsendem Tempo eine Vielzahl von Netzöffentlichkeiten, deren Außengrenzen und Themen im ständigen Fluss begriffen sind. Es ist gewiss die Aufgabe des schulischen Unterrichts, die Schüler auf den Gebrauch dieses neuen Mediums technisch und sozial vorzubereiten..."
Es bleibt zu hoffen, dass die etablierte Politikdidaktik diesen Weckruf hört. Die bisherige Bilanz sieht eher ernüchternd aus, wie ich in diesem Blog schon mehrfach angemerkt habe (z.B. "Politikdidaktik in Deutschland und das Web 2.0"). Was man der politischen Bildung allerdings nicht vorwerfen kann, ist genau das, was Honneth der politischen Philosophie ankreidet, nämlich den zwingenden Zusammenhang von Demokratie und Erziehung (zu deren Regenerierung) zu vernachlässigen, denn genau darum dreht(e) sich die interessanteste Debatte innerhalb des Fachbereichs, die übrigens auch von erziehungswissenschaftlicher Seite ausging (BLK-Programm "Demokratie lernen & leben"). Eine kurze Darstellung dieser Debatte findet sich hier...